Потерянная честь Катарины Блюм / Die Verlorene Ehre der Katharina Blum
Книга для чтения на немецком языке
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Тематика:
Немецкий язык
Издательство:
КАРО
Автор:
Бёлль Генрих
Год издания: 2024
Кол-во страниц: 220
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Вид издания:
Художественная литература
Уровень образования:
Дополнительное образование
ISBN: 978-5-9925-1044-7
Артикул: 083746.04.99
Перед вами роман Генриха Бёлля, знаменитого немецкого писателя и лауреата Нобелевской премии. Книга рассказывает о методах работы немецких таблоидов в 1970-е годы в условиях паники, вызванной деятельностью террористических организаций. Динамичный сюжет с элементами и детектива, и мелодрамы, не дает оторваться от книги до самого конца.
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УДК 372.8-821.112.2-93 ББК 81.2Нем-93 Б43 Впервые опубликовано на немецком языке как “Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ von Heinrich Böll Бёлль, Генрих Теодор. Б43 Потерянная честь Катарины Блюм : книга для чтения на немецком языке / Г. Т. Бёлль. — Köln : Kiepenheuer& Witsch; Санкт-Петербург : КАРО, 2024. — 220 с. — (Moderne Prosa). ISBN 978-5-9925-1044-7. Перед вами роман Генриха Бёлля, знаменитого немецкого писателя и лауреата Нобелевской премии. Книга рассказывает о методах работы немецких таблоидов в 1970-е годы в условиях паники, вызванной деятельностью террористических организаций. Динамичный сюжет с элементами и детектива, и мелодрамы, не дает оторваться от книги до самого конца. Неадаптированный текст романа снабжен комментариями и словарем. УДК 372.8-821.112.2-93 ББК 81.2Нем-93 © Verlag Kiepenheuer&Witsch GmbH & Co. KG, Cologne/ Germany, 1974, 2002 © КАРО, 2024 Все права защищены ISBN 978-5-9925-1044-7
1. Für den folgenden Bericht gibt es einige Neben- und drei Hauptquellen, die hier am Anfang einmal genannt, dann aber nicht mehr erwähnt werden. Die Hauptquellen: Vernehmungsprotokolle der Polizeibehörde, Rechtsanwalt Dr. Hubert Blorna, sowie dessen Schul- und Studienfreund, der Staatsanwalt Peter Hach, der — vertraulich, versteht sich — die Vernehmungsprotokolle, gewisse Maßnahmen der Untersuchungsbehörde und Ergebnisse von Recherchen, soweit sie nicht in den Protokollen auftauchten, ergänzte; nicht, wie unbedingt hinzugefügt - werden muss, zu offiziellem, lediglich zu privatem Gebrauch, da ihm der Kummer seines Freundes Blorna, der sich das alles nicht erklären konnte und es doch „wenn ich es recht bedenke, nicht unerklärlich, sogar fast logisch“ fand, regelrecht zu 3
Herzen ging. Da der Fall der Katharina Blum angesichts der Haltung der Angeklagten und der sehr schwierigen Position - ihres Verteidigers Dr. Blorna HEINRICH BÖLL ohnehin mehr oder weniger fiktiv bleiben wird, sind vielleicht gewisse kleine, sehr menschliche Unkorrektheiten, wie Hach sie beging, nicht nur verständlich, auch verzeihlich. Die Nebenquellen, einige von größerer, andere von geringerer Bedeutung, brauchen hier nicht erwähnt zu werden, da sich ihre Verstrickung, Verwicklung, Befaßtheit, Befangenheit, Betroffenheit und Aussage aus dem Bericht selbst ergeben. 2. Wenn der Bericht — da hier so viel von Quellen geredet wird — hin und wieder als „fließend“ empfunden wird, so wird dafür um Verzeihung gebeten: es war unvermeidlich. Angesichts von „Quellen“ und „Fließen“ kann man nicht von Komposition sprechen, so sollte man vielleicht statt dessen den Begriff der Zusammenführung (als Fremdwort dafür wird Konduktion vorgeschlagen) einführen, und dieser Begriff sollte - jedem einleuchten, der je als Kind (oder gar Erwachsener) in, an und mit Pfützen gespielt hat, 4
die er anzapfte, durch Kanäle miteinander verband, leerte, ablenkte, umlenkte, bis er schließlich das gesamte, ihm zur Verfügung stehende Pfützenwasserpotential in einem Sammelkanal zusammenführte, um es auf ein niedrigeres Niveau ab, möglicherweise gar ordnungsgemäß oder ordentlich, regelrecht in eine behördlicherseits erstellte Abflußrinne oder in einen Kanal zu lenken. Es wird also nichts weiter vorgenommen als eine Art Dränage oder Trockenlegung. Ein ausgesprochener Ordnungsvorgang! Wenn also diese Erzählung stellenweise in Fluss kommt1, wobei Niveauunterschiede und -ausgleiche eine Rolle spieDIE VERLORENE EHRE DER KATHARINA BLUM len, so wird um Nachsicht gebeten, denn schließlich gibt es auch Stockungen, Stauungen, Versandungen, missglückte Konduktionen und Quellen, die „zusammen nicht kommen können“, außerdem unterirdische Strömungen usw. usw. 3. Die Tatsachen, die man vielleicht zunächst einmal darbieten sollte, sind brutal: am Mittwoch, dem 20.2.1974, am Vorabend2 von Weiberfast1 in Fluss kommen — наладиться 2 am Vorabend — 1) накануне вечером 2) накануне (чего-л.) 5
nacht1, verläßt in einer Stadt eine junge Frau von siebenundzwanzig Jahren abends gegen 18.45 Uhr ihre Wohnung, um an einem privaten Tanzvergnügen teilzunehmen. HEINRICH BÖLL Vier Tage später, nach einer — man muss es wirklich so ausdrücken (es wird hiermit auf die notwendigen Niveauunterschiede verwiesen, die den Fluß ermöglichen) — dramatischen Entwicklung, am Sonntagabend um fast die gleiche Zeit — genauer gesagt gegen 19.04 —, klingelt sie an der Wohnungstür des Kriminaloberkommissars Walter Moeding, der eben dabei ist, sich aus dienstlichen, nicht privaten Gründen als Scheich zu verkleiden, und gibt dem erschrockenen Moeding zu Protokoll, sie habe mittags gegen 12.15 in ihrer Wohnung den Journalisten Werner Tötges erschossen, er möge veranlassen, dass ihre Wohnungstür aufgebrochen und er dort „abgeholt“ werde; sie selbst habe sich zwischen 12.15 und 19.00 Uhr in der Stadt umhergetrieben, um Reue zu finden, habe aber keine Reue gefunden; sie bitte au1 (Alt)Weiberfas[t]nacht f (landsch.) = letzter Donnerstag vor Aschermittwoch [an diesem Tag zeichnet der Priester im kath. Gottesdienst den Gläubigen mit Holzasche ein Kreuz als Zeichen der Buße auf die Stirn] — Tag nach Fastnacht; erster Tag der Fastenzeit 6
ßerdem um ihre Verhaftung, sie möchte gern dort sein, wo auch ihr „lieber Ludwig“ sei.1 Moeding, der die junge Person von verschiedenen Vernehmungen her kennt und eine gewisse Sympathie für sie empfindet, zweifelt nicht einen Augenblick lang an ihren Angaben, er bringt sie in seinem Privatwagen zum Polizeipräsidium, verständigt seinen Vorgesetzten Kriminalhauptkommissar Beizmenne, läßt die junge Frau in eine Zelle verbringen, trifft sich eine Viertelstunde später mit Beizmenne vor ihrer Wohnungstür, wo ein entsprechend ausgebildetes Kommando die Tür aufbricht und die Angaben der jungen Frau bestätigt findet. DIE VERLORENE EHRE DER KATHARINA BLUM 1 sie habe mittags gegen 12.15 in ihrer Wohnung den Journalisten Werner Tötges erschossen, er möge veranlassen, dass ihre Wohnungstür aufgebrochen und er dort „abgeholt“ werde; sie selbst habe sich zwischen 12.15 und 19.00 Uhr in der Stadt umhergetrieben, um Reue zu finden, habe aber keine Reue gefunden; sie bitte außerdem um ihre Verhaftung, sie möchte gern dort sein, wo auch ihr „lieber Ludwig“ sei. — что она пополудни, где-то в 12.15, в собственной квартире застрелила журналиста Вернера Тетгеса, пусть он распорядится взломать ее входную дверь и «забрать» его оттуда; она же между 12.15 и 19.00 слонялась по городу в поисках раскаяния, но не нашла его; кроме всего прочего она просит заключить ее под стражу, она очень хочет быть там, где и ее «любимый Людвиг». 7
Es soll hier nicht so viel von Blut gesprochen werHEINRICH BÖLL den, denn nur notwendige Niveauunterschiede sollen als unvermeidlich gelten, und deshalb wird hiermit aufs Fernsehen und aufs Kino verwiesen, auf Grusi- und Musicals1 einschlägiger Art; wenn hier etwas fließen soll, dann nicht Blut. Vielleicht sollte man lediglich auf gewisse Farbeffekte hinweisen: der erschossene Tötges trug ein improvisiertes Scheichkostüm, das aus einem schon recht verschlissenen Bettuch zurechtgeschneidert war, und jedermann weiß doch, was viel rotes Blut auf viel Weiß anrichten kann; da wird eine Pistole notwendigerweise fast zur Spritzpistole, und da es sich im Falle des Kostüms ja um Leinwand handelt, liegen hier moderne Malerei und Bühnenbild näher als Dränage. Gut. Das sind also die Fakten. 4. Ob auch der Bildjournalist Adolf Schönner, den man erst am Aschermittwoch in einem Waldstück westlich der fröhlichen Stadt ebenfalls erschossen fand, ein Opfer der Blum gewesen war, galt eine 1 Grusical n <anglisierende Neubildung nach dem Vorbild von „Musical“ > (scherzh.) — [nach Art eines Musicals aufgemachter] Gruselfilm 8
Zeitlang als nicht unwahrscheinlich, später aber, als man eine gewisse chronologische Ordnung in den Ablauf gebracht hatte, als „erwiesen unzutreffend“1. Ein Taxifahrer sagte später aus, er habe den ebenfalls als Scheich verkleideten Schönner mit einer als Andalusierin verkleideten jungen Frauensperson zu DIE VERLORENE EHRE DER KATHARINA BLUM eben jenem Waldstück gefahren. Nun war aber Tötges schon am Sonntagmittag erschossen worden, Schönner aber erst am Dienstagmittag. Obwohl man bald herausfand, dass die Tatwaffe, die man neben Tötges fand, keinesfalls die Waffe sein konnte, mit der Schönner getötet worden war, blieb der Verdacht für einige Stunden auf der Blum ruhen, und zwar des Motivs wegen. Wenn sie schon Grund gehabt hatte, sich an Tötges zu rächen, so hatte sie mindestens soviel Grund gehabt, sich an Schönner zu rächen. Dass die Blum aber zwei Waffen besessen haben könnte, erschien den ermittelnden Behörden dann doch als sehr unwahrscheinlich. Die Blum war bei ihrer Bluttat mit einer kalten Klugheit zu Werke gegangen; als man sie später fragte, ob sie auch Schönner erschossen habe, gab sie eine ominöse2, 1 erwiesen unzutreffend — неправдоподобно 2 ominös <Adj.> [frz. omineux < lat. ominosus, zu: omen, Omen] — a) von schlimmer Vorbedeutung; unheilvoll; b) bedenklich, zweifelhaft; berüchtigt 9
HEINRICH BÖLL als Frage verkleidete Antwort: „Ja, warum eigentlich nicht den auch?“ Dann aber verzichtete man darauf, sie auch des Mordes an Schönner zu verdächtigen, zumal Alibirecherchen sie fast eindeutig entlasteten. Keiner, der Katharina Blum kannte oder im Laufe der Untersuchung ihren Charakter kennenlernte, zweifelte daran, dass sie, falls sie ihn begangen hätte, den Mord an Schönner eindeutig zugegeben hätte. Der Taxifahrer, der das Pärchen zum Waldstück gefahren hatte („Ich würde es ja eher als verwildertes Gebüsch bezeichnen“, sagte er), erkannte jedenfalls die Blum auf Fotos nicht. „Mein Gott“, sagte er, „diese hübschen braunhaarigen jungen Dinger zwischen 1,63 und 1,68 groß, schlank und zwischen 24 und 27 Jahre alt — davon laufen doch Karneval Hunderttausende hier herum“. In der Wohnung des Schönner fand man keinerlei Spuren von der Blum, keinerlei Hinweis auf die Andalusierin. Kollegen und Bekannte des Schönner wußten nur, dass er am Dienstag gegen Mittag von einer Kneipe aus, in der sich Journalisten trafen, „mit irgendeiner Brumme1 abgehauen war“. 1 Brumme (ugs.) = attraktive junge Frau 10