Траумновелле - С широко закрытыми глазами
Книга для чтения на немецком языке
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Тематика:
Немецкий язык
Издательство:
КАРО
Автор:
Шницлер Артур
Год издания: 2021
Кол-во страниц: 524
Возрастное ограничение: 16+
Дополнительно
Вид издания:
Художественная литература
Уровень образования:
ВО - Бакалавриат
ISBN: 978-5-9925-1451-3
Артикул: 749929.02.99
Артур Шницлер — австрийский драматург и прозаик, в новеллах содержится социальная критика. В книге представлены наиболее интересные и значимые произведения автора, среди которых знаменитые новеллы «Лейтенант Густль» и «Траумновелле». По мотивам «Траумновелле» режиссер Стэнли Кубрик снял фильм «С широко закрытыми глазами». Оригинальный текст снабжен постраничными комментариями и словарем.
Тематика:
ББК:
УДК:
ОКСО:
- ВО - Бакалавриат
- 44.03.01: Педагогическое образование
- 45.03.01: Филология
- 45.03.02: Лингвистика
ГРНТИ:
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Комментарии и словарь Е. А. Тимофеевой АRTHUR SCHNITZLER TRAUMNOVELLE МIT WEIT GESCHLOSSENEN AUGEN
УДК 373.8 ББК 81.2 Нем-93 Ш77 ISBN 978-5-9925-1451-3 Шницлер, Артур. Ш77 Траумновелле — [С широко закрытыми глазами] : книга для чтения на немецком языке / А. Шницлер. — Санкт-Петербург : КАРО, 2021. — 524 с. — (Klassische Literatur). ISBN 978-5-9925-1451-3. Артур Шницлер — австрийский драматург и прозаик, в новеллах содержится социальная критика. В книге представлены наиболее интересные и значимые произведения автора, среди которых знаменитые новеллы «Лейтенант Густль» и «Траумновелле». По мотивам «Траумновелле» режиссер Стэнли Кубрик снял фильм «С широко закрытыми глазами». Оригинальный текст снабжен постраничными комментариями и словарем. УДК 373.8 ББК 81.2 Нем-93 © KAPO, 2021 Аrthur Schnitzler МIT WEIT GESCHLOSSENEN AUGEN Оптовая торговля: Книги издательства «КАРО» можно приобрести: Интернет-магазины: в Санкт-Петербурге: ул. Бронницкая, 44. тел./факс: (812) 575-94-39, 320-84-79 е-mail: karopiter@mail.ru, karo@peterstar.ru в Москве: 1-й Грайвороновский проезд, д. 9А, стр. 7. тел./факс: (495) 761-61-01, 761-61-04 е-mail: moscow@karo.net.ru, karo.moscow@gmail.com WWW.MNOGOKNIG.LV WWW.LABIRINT.RU WWW.MURAVEI-SHOP.RU WWW.MY-SHOP.RU WWW.OZON.RU
Leutnant Gustl Wie lang’ wird denn das noch dauern? Ich muss auf die Uhr schauen… schickt sich wahrscheinlich nicht in einem so ernsten Konzert. Aber wer sieht’s denn? Wenn’s einer sieht, so paßt er gerade so wenig auf, wie ich, und vor dem brauch’ ich mich nicht zu genieren… Erst Viertel auf zehn?… Mir kommt vor, ich sitz’ schon drei Stunden in dem Konzert. Ich bin’s halt1 nicht gewohnt… Was ist es denn eigentlich? Ich muss das Programm anschauen… Ja, richtig: Oratorium! Ich hab’ gemeint: Messe. Solche Sachen gehören doch nur in die Kirche! Die Kirche hat auch das Gute, dass man jeden Augenblick fortgehen kann. Wenn ich wenigstens einen Ecksitz hätt’! Also Geduld, Geduld! Auch Oratorien nehmen ein End’! Vielleicht ist es sehr schön, und ich bin nur nicht in der Laune. Woher sollt’ mir auch die Laune kommen? Wenn ich denke, dass ich hergekommen bin, um mich zu zerstreuen… Hätt’ ich die Karte lie 1 halt <Partikel> [mhd., ahd. halt = mehr, vielmehr, Komp. zu ahd. halto = sehr] (bes. südd., österr., schweiz.) = eben
ARTHUR SCHNITZLER ber dem Benedek geschenkt, dem machen solche Sachen Spaß; er spielt ja selber Violine. Aber da wär’ der Kopetzky beleidigt gewesen. Es war ja sehr lieb von ihm, wenigstens gut gemeint. Ein braver Kerl, der Kopetzky! Der einzige, auf den man sich verlassen kann… Seine Schwester singt ja mit unter denen da oben. Mindestens hundert Jungfrauen, alle schwarz gekleidet; wie soll ich sie da herausfinden? Weil sie mitsingt, hat er auch das Billett gehabt, der Kopetzky… Warum ist er denn nicht selber gegangen? Sie singen übrigens sehr schön. Es ist sehr erhebend — sicher! Bravo! Bravo!… Ja, applaudieren wir mit. Der neben mir klatscht wie verrückt. Ob’s ihm wirklich so gut gefällt? Das Mädel1 drüben in der Loge ist sehr hübsch. Sieht sie mich an oder den Herrn dort mit dem blonden Vollbart?… Ah, ein Solo! Wer ist das? Alt: Fräulein Walker, Sopran: Fräulein Michalek… das ist wahrscheinlich Sopran… Lang’ war ich schon nicht in der Oper. In der Oper unterhalt’ ich mich immer, auch wenn’s langweilig ist. Übermorgen könnt’ ich eigentlich wieder hineingeh’n, zur ‚Traviata‘. Ja, übermorgen bin ich vielleicht schon eine tote Leiche! Ah, Unsinn, das glaub’ ich selber nicht! Warten S’ nur2, Herr Doktor, Ihnen wird’s vergeh’n, solche Bemerkungen zu machen! Das Nasenspitzel hau’ ich Ihnen herunter… 1 Mädel n (bayr., österr.:) [Vkl. zu Magd] (ugs.) = Mädchen n 2 Warten S’ nur = Warten Sie nur
LEUTNANT GUSTL 5 Wenn ich die in der Loge nur genau sehen könnt’! Ich möcht’ mir den Operngucker1 von dem Herrn neben mir ausleih’n, aber der frißt mich ja auf, wenig ich ihn in seiner Andacht2 stör’… In welcher Gegend die Schwester vom Kopetzky steht? Ob ich sie erkennen möcht’? Ich hab’ sie ja nur zwei- oder dreimal gesehen, das letztemal im Offizierskasino… Ob das lauter anständige Mädeln sind, alle hundert?3 O jeh!… „Unter Mitwirkung des Singvereins“! Singverein… komisch! Ich hab’ mir darunter eigentlich immer so was Ähnliches vorgestellt, wie die Wiener Tanzsängerinnen, das heißt, ich hab’ schon gewußt, dass es was anderes ist!.. Schöne Erinnerungen! Damals beim ‚Grünen Tor‘… Wie hat sie nur geheißen? Und dann hat sie mir einmal eine Ansichtskarte aus Belgrad geschickt… Auch eine schöne Gegend! Der Kopetzky hat’s gut, der sitzt jetzt längst im Wirtshaus und raucht seine Virginia!4… Was guckt mich denn der Kerl dort immer an? Mir scheint, der merkt, dass ich mich langweil’ und nicht herg’hör’… Ich möcht’ Ihnen raten, ein etwas weni 1 Operngucker m (ugs.) = Opernglas n 2 Andacht f [mhd. andaht, ahd. anadaht, eigtl. = das Denken an etwas] — kurzer Gottesdienst, der bes. dem Gebet gewidmet ist 3 А все ли они приличные девицы, все эти сто? 4 Копецкомуто хорошо, онто уже сидит себе в кабаке и покуривает свою «Вирджинию».
ARTHUR SCHNITZLER ger freches Gesicht zu machen, sonst stell’ ich Sie mir nachher im Foyer! Schaut schon weg!… Dass sie alle vor meinem Blick so eine Angst hab’n… „Du hast die schönsten Augen, die mir je vorgekommen sind!“ hat neulich die Steffi gesagt… O Steffi, Steffi, Steffi! Die Steffi ist eigentlich schuld, dass ich dasitz’ und mir stundenlang vorlamentieren lassen muss. Ah, diese ewige Abschreiberei von der Steffi geht mir wirklich schon auf die Nerven1! Wie schön hätt’ der heutige Abend sein können. Ich hätt’ große Lust, das Brieferl von der Steffi zu lesen. Da hab’ ich’s ja. Aber wenn ich die Brieftasche herausnehm’, frißt mich der Kerl daneben auf! Ich weiß ja, was drinsteht… sie kann nicht kommen, weil sie mit „ihm“ nachtmahlen2 gehen muss… Ah, das war komisch vor acht Tagen, wie sie mit ihm in der Gartenbaugesellschaft gewesen ist, und ich visà-vis3 mit’m Kopetzky; und sie hat mir immer die Zeichen gemacht mit den Augerln4, die verabredeten. Er hat nichts gemerkt — unglaublich! Muss übrigens ein Jud’ sein! Freilich, in einer Bank ist er, und der schwarze Schnurrbart… Reserveleutnant soll er auch sein! Na, in mein Regiment sollt’ er nicht zur Waffen 1 jmdm. auf die Nerven gehen (ugs.) = jmdm. äußerst lästig werden 2 nachtmahlen (österr.) = zu Abend essen 3 vis-à-vis [frz., eigtl.= Gesicht zu Gesicht] = gegenüber 4 Augerl n (südd., österr., schweiz.) = Auge n
LEUTNANT GUSTL 7 übung kommen! Überhaupt, dass sie noch immer so viel Juden zu Offizieren machen — da pfeif ich auf’n ganzen Antisemitismus!1 Neulich in der Gesellschaft, wo die G’schicht’ mit dem Doktor passiert ist bei den Mannheimers… die Mannheimer selber sollen ja auch Juden sein, getauft natürlich… denen merkt man’s aber gar nicht an — besonders die Frau so blond, bildhübsch2 die Figur… War sehr amüsant im ganzen. Famoses3 Essen, großartige Zigarren… Naja, wer hat’s Geld?… Bravo, bravo! Jetzt wird’s doch bald aus sein? Ja, jetzt steht die ganze G’sellschaft da droben auf… sieht sehr gut aus — imposant! Orgel auch?… Orgel hab’ ich sehr gern… So, das laß’ ich mir g’fall’n — sehr schön! Es ist wirklich wahr, man sollt’ öfter in Konzerte gehen… Wunderschön ist’s g’wesen, werd’ ich dem Kopetzky sagen… Werd’ ich ihn heut’ im Kaffeehaus treffen? Ah, ich hab’ gar keine Lust, ins Kaffeehaus zu geh’n; hab’ mich gestern so gegiftet4! Hundertsechzig Gulden auf einem Sitz verspielt — zu dumm! Und wer hat alles gewonnen? Der Ballert, grad’ der, der’s 1 da pfeif ich auf’n ganzen Antisemitismus — да плевать я хотел на весь этот антисемитизм 2 bildhübsch <Adj.> (emotional verstärkend) = sehr, besonders hübsch 3 famos <Adj.> [frz. fameux = berühmt < lat. famosus = viel besprochen, berühmt, berüchtigt] (ugs.) = fabelhaft; ausgezeichnet; großartig 4 giften (ugs.) = sehr ärgerlich, böse machen
ARTHUR SCHNITZLER nicht notwendig hat… Der Ballert ist eigentlich schuld, dass ich in das blöde Konzert hab’ geh’n müssen… Na ja, sonst hätt’ ich heut’ wieder spielen können, vielleicht doch was zurückgewonnen. Aber es ist ganz gut, dass ich mir selber das Ehrenwort gegeben hab’, einen Monat lang keine Karte anzurühren1… Die Mama wird wieder ein G’sicht machen2, wenn sie meinen Brief bekommt! Ah, sie soll zum Onkel geh’n, der hat Geld wie Mist; auf die paar hundert Gulden kommt’s ihm nicht an. Wenn ich’s nur durchsetzen könnt’, dass er mir eine regelmäßige Sustentation3 gibt… aber nein, um jeden Kreuzer muss man extra betteln. Dann heißt’s wieder: Im vorigen Jahr war die Ernte schlecht!… Ob ich heuer4 im Sommer wieder zum Onkel fahren soll auf vierzehn Tag’? Eigentlich langweilt man sich dort zum Sterben… Wenn ich die… wie hat sie nur geheißen?… Es ist merkwürdig, ich kann mir keinen Namen merken!… Ah, ja: Etelka!… Kein Wort deutsch hat sie verstanden, aber das war auch nicht notwen 1 Здорово, что я дал себе слово целый месяц не прикасаться к картам… 2 ein [schiefes] Gesicht machen = missvergnügt dreinblicken, seinem Missfallen Ausdruck geben 3 Sustentation f [lat. sustentatio, eigtl.= das Hinhalten] (veraltet)=Unterstützung, Versorgung f 4 heuer <Adv.> [mhd. hiure, ahd. hiuru, zusgez. aus: hiu jaru = in diesem Jahr] (südd., österr., schweiz.) — a) dieses Jahr, in diesem Jahr; b) dieser Tage, in diesen Tagen, heute
LEUTNANT GUSTL 9 dig… hab’ gar nichts zu reden brauchen!… Ja, es wird ganz gut sein, vierzehn Tage Landluft und vierzehn Nächt’ Etelka oder sonstwer… Aber acht Tag’ sollt’ ich doch auch wieder beim Papa und bei der Mama sein… Schlecht hat sie ausg’seh’n heuer zu Weihnachten… Na, jetzt wird die Kränkung schon überwunden sein. Ich an ihrer Stelle wär’ froh, dass der Papa in Pension gegangen ist.1 Und die Klara wird schon noch einen Mann kriegen… Der Onkel kann schon was hergeben… Achtundzwanzig Jahr’, das ist doch nicht so alt… Die Steffi ist sicher nicht jünger… Aber es ist merkwürdig: die Frauenzimmer2 erhalten sich länger jung. Wenn man so bedenkt: die Maretti neulich in der ‚Madame Sans-Gêne3‘ — siebenunddreißig Jahr’ ist sie sicher, und sieht aus… Na, ich hätt’ nicht Nein g’sagt! — Schad’, dass sie mich nicht g’fragt hat… Heiß wird’s! Noch immer nicht aus? Ah, ich freu’ mich so auf die frische Luft! Werd’ ein bissl4 spazie 1 Я бы на ее месте был рад, что папа ушел на пенсию. 2 Frauenzimmer n [spätmhd. vrouwenzimmer = Frauengemach u. die Gesamtheit der dort wohnenden weiblichen Personen; im 17.Jh. auf die einzelne Person übertragen, urspr. ohne negative Bedeutung]— a) (salopp abwertend) als liederlich, leichtfertig o.Ä. angesehene weibliche Person; b) (veraltet, noch landsch.) weibliche Person 3 sans gêne [sans = ohne u. gêne = Zwang, Last] (bildungsspr. veraltet) — a) zwanglos, ungezwungen; b) nach Belieben 4 ein bissl (südd., österr., schweiz.) = ein bisschen
ARTHUR SCHNITZLER ren geh’n, übern Ring… Heut’ heißt’s: früh ins Bett, morgen nachmittag frisch sein! Komisch, wie wenig ich daran denk’, so egal ist mir das! Das erstemal hat’s mich doch ein bißl aufgeregt. Nicht, dass ich Angst g’habt hätt’; aber nervos bin ich gewesen in der Nacht vorher… Freilich, der Oberleutnant Bisanz war ein ernster Gegner. Und doch, nichts ist mir g’scheh’n!… Auch schon anderthalb Jahr’ her. Wie die Zeit vergeht! Und wenn mir der Bisanz nichts getan hat, der Doktor wird mir schon gewiß nichts tun! Obzwar1, gerade diese umgeschulten Fechter sind manchmal die gefährlichsten. Der Doschintzky hat mir erzählt, dass ihn ein Kerl, der das erstemal einen Säbel in der Hand gehabt hat, auf ein Haar2 abgestochen hätt’; und der Doschintzky ist heut’ Fechtlehrer bei der Landwehr. Freilich — ob er damals schon so viel können hat… Das Wichtigste ist: kaltes Blut. Nicht einmal einen rechten Zorn hab’ ich mehr in mir, und es war doch eine Frechheit — unglaublich! Sicher hätt’ er sich’s nicht getraut, wenn er nicht Champagner getrunken hätt’ vorher… So eine Frechheit! Gewiß ein Sozialist! Die Rechtsverdreher sind doch heutzutag’ alle Sozialisten! Eine Bande… am liebsten möchten sie gleich ‚s ganze Militär abschaffen; aber wer ihnen dann Helfen möcht‘, wenn die Chinesen über sie kommen, daran denken sie nicht. Blödisten! 1 obzwar <Konj.> (geh.) = obwohl 2 auf ein Haar /aufs Haar (ugs.) = ganz genau, exakt