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Глазами клоуна: роман

Книга для чтения на немецком языке
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Предлагаем вниманию читателей один из самых известных романов знаменитого немецкого писателя, лауреата Нобелевской премии Генриха Белля (1917-1985). В книге приводится полный неадаптированный текст романа, снабженный комментариями, словарем и заданиями. Для студентов языков вузов и всех любителей современной немецкой литературы.
Белль, Г. Глазами клоуна: роман : книга для чтения на немецком языке : художественная литература / Г. Белль. - Санкт-Петербург : КАРО, 2021. - 352 с. - (Moderne Prosa). - ISBN 978-5-9925-0443-9. - Текст : электронный. - URL: https://znanium.com/catalog/product/1864169 (дата обращения: 08.09.2024). – Режим доступа: по подписке.
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                Heinrich BOLL ANSICHTEN EINES CLOWNS





MDDERNE P R О S A

Подготовка текста, комментарии и словарь В. И. Барановой





КАРО
Санкт-Петербург

УДК 372.8+821.112.2
ББК 81.2 Нем-93
     Б 43






Впервые опубликовано на немецком языке как “Ansichten eines Clowns””von Heinrich Boll





     Бёлль, Генрих.
Б 43 Глазами клоуна: Роман: Книга для чтения на немецком языке / Генрих Бёлль. — Санкт-Петербург : КАРО, 2021. — 352 с. — (Moderne Prosa).

     ISBN 978-5-9925-0443-9.

         Предлагаем вниманию читателей один из самых известных романов знаменитого немецкого писателя, лауреата Нобелевской премии Генриха Белля (1917-1985).
         В книге приводится полный неадаптированный текст романа, снабженный комментариями, словарем и заданиями. Для студентов языков вузов и всех любителей современной немецкой литературы.

УДК 372.8+821.112.2
ББК 81.2 Нем-93





ISBN 978-5-9925-0443-9

© КАРО, 2020
Все права защищены

Fur Annemarie

Die werden es sehen denen von Ihm noch nichts verkilndet ward, und die verstehen, die noch nichts vemommen haben.


    Es war schon dunkel, als ich in Bonn ankam, ich zwang mich, meine Ankunft nicht mit der Automatik ablaufen zu lassen¹, die sich in funfjahrigem Unterwegssein heraus-gebildet hat: Bahnsteigtreppe runter, Bahnsteigtreppe rauf, Reisetasche abstellen, Fahrkarte aus der Manteltasche neh-men, Reisetasche aufnehmen, Fahrkarte abgeben, zum Zeitungsstand, Abendzeitungen kaufen, nach draufien gehen und ein Taxi heranwinken. Fiinf Jahre lang bin ich fast jeden Tag irgendwo abgefahren und irgendwo ange-kommen, ich ging morgens Bahnhofstreppen rauf und runter und nachmittags Bahnhofstreppen runter und rauf, winkte Taxis heran, suchte in meinen Rocktaschen nach Geld, den Fahrer zu bezahlen, kaufte Abendzeitungen an Kiosken und genoB in einer Ecke meines Bewufitseins die exakt einstudierte Lassigkeit dieser Automatik. Seitdem Marie mich verlassen hat, um Ziipfner, diesen Katholi-ken, zu heiraten, ist der Ablauf noch mechanischer gewor-den, ohne an Lassigkeit zu verlieren². Fur die Entfernung vom Bahnhof zum Hotel, vom Hotel zum Bahnhof gibt es

¹ nicht mit der Automatik ablaufen zu lassen — не поддаваться (тому) автоматизму

² ohne an Lassigkeit zu verlieren — vxmv небрежность сохранилась

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HEINRICH BOLL

ein Май: denTaxameter. Zwei Mark, drei Mark, vier Mark ftinfzig vom Bahnhof entfernt. Seitdem Marie weg ist, bin ich manchmal aus dem Rhythmus geraten, habe Hotel und Bahnhof miteinander verwechselt, nervos an der Portierlo-ge nach meiner Fahrkarte gesucht oder den Beamten an der Sperre¹ nach meiner Zimmernummer gefragt, irgendetwas, das Schicksal heifien mag, lief? mir wohl meinen Beruf und meine Situation in Erinnerung bringen. Ich bin ein Clown, offizielle Berufsbezeichnung: Komiker, keiner Kirche steu-erpflichtig, siebenundzwanzig Jahre alt, und eine meiner Nummern heifit: Ankunft und Abfehrt, eine (fest zu) lange Pantomime, bei der der Zuschauer bis zuletzt Ankunft und Abfehrt verwechselt; da ich diese Nummer mei-stens im Zug noch einmal durchgehe (sie besteht aus mehr als sechs-hundert Ablaufen, deren Choreographic ich natiirlich im Kopf haben тий), liegt es nahe, dafi ich hin und wieder meiner eigenen Phantasie erliege: in ein Hotel stiirze, nach der Abfahrtstafel ausschaue, diese auch entdecke, eineTrep-pe hinauf- oder hinunterrenne, um meinen Zug nicht zu versaumen, wahrend ich doch nur auf mein Zimmer zu ge-hen und mich auf die Vorstellung vorzubereiten brauche. Zum Gliick kennt man mich in den meisten Hotels; innerhalb von funfJahren ergibt sich ein Rhythmus mit weniger Varia-tionsmoglichkeiten, als man gemeinhin annehmen mag — und auSerdem sorgt mein Agent, der meine Eigenheiten kennt, fur eine gewisse Reibungslosigkeit. Was er »die Sensi-bilitat der Kiinsderseele« nennt, wird voll respektiert, und

¹ der Beamte an der Sperre — зд.: контролер

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HEINRICH BOLL

eine »Aura des Wohlbefindense¹ umgibt mich, sobaid ich auf meinem Zimmer bin: Blumen in einer hiibschen Vase, kaum habe ich den Mantel abgeworfen, die Schuhe (ich hasse Schu-he) in die Ecke geknallt, bringt mir ein hiibsches Zimtner-madchen Kaffee und Kognak, lafit mir ein Bad einlaufen, das mit griinen Ingredienzien wohlriechend und beruhigend gemacht wird. In der Badewanne lese ich Zeitungen, lauter unseriose, bis zu sechs, mindestens aber drei, und singe mit mafiig lauter Stimme ausschliefilich Liturgisches: Chorale, Hymnen, Sequenzen, die mir noch aus der Schulzeit in Erin-nerung sind. Meine Eltern, strengglaubige Protestanten, hul-digten der Nachkriegsmode konfessioneller Versohnlichkeit² ³ und schickten mich auf eine katholische Schule. Ich selbst bin nicht religios, nicht einmal kirchlich, und bediene mich der liturgischen Texte und Melodien aus therapeutischen Griinden: sie helfen mir am besten fiber die beiden Leiden hinweg, mit denen ich von Natur belastet bin: Melancholic und Kopfschmerz. Seitdem Marie zu den Katholiken iiber-gelaufen ist (obwohl Marie selbst katholisch ist, erscheint mir diese Bezeichnung angebracht), steigert sich die Heftigkeit dieser beiden Leiden, und selbst das Tantum Ergo¹ oder die Lauretanische Litanei, bisher meine Favoriten in der Schmerzbekampfung, helfen kaum noch. Es gibt ein vorii-bergehend wirksames Mittel: Alkohol —, es gabe eine dau¹ Aura des Wohlbefindens — атмосфера уюта

² huldigten der Nachkriegsmode konfessioneller Versohnlichkeit — придерживались послевоенной моды примирения всех вероисповеданий

³ das Tantum Ergo — (лат.) начало католической молитвы

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erhafte Heilung: Marie; Marie hat mich verlassen. Ein Clown, der ans Saufen kommt¹, steigt rascher ab, als ein betrunkener Dachdecker stiirzt. Wenn ich betrunken bin, fuhre ich bei meinen Auftritten Bewegungen, die nur dutch Genauigkeit gerechtfertigt sind, ungenau aus und verfalle in den peinlichsten Fehler, der einem Clown unterlaufen kann: ich lache fiber meine eigenen Einfalle. Eine furchter-liche Erniedrigung. Solange ich niichtern bin, steigert sich die Angst vor dem Auftritt bis zu dem Augenblick, wo ich die Biihne betrete (meistens mul?te ich auf die Biihne ge-stofien werden), und was manche Kritiker »diese nachdenk-liche, kritische Heiterkeit« nannten, whinter der man das Herz schlagen hort«, war nichts anderes als eine verzweifel-te Kalte, mit der ich mich zur Marionettemachte; schlimm iibrigens, wenn der Faden ril? und ich auf mich selbst zu-riickfiel. Wahrscheinlich existieren Monche im Zustand der Kontemplation ahnlich;Marie schleppte irnrner viel mysti-sche Literatur mit sich herum, und ich erinnere mich, dal? die Worte »leer« und »nichts« haufig darin vorkamen.
    Seit drei Wochen war ich meistens betrunken und mit triigerischer Zuversicht auf die Biihne gegangen, und die Folgen zeigten sich rascher als bei einem saumigen Schuler, der sich bis zum Zeugnisempfang noch Illusionen machen kann; ein halbes Jahr ist eine lange Zeit zum Trau-men. Ich hatte schon nach drei Wochen keine Blumen mehr auf dem Zimmer, in der Mitte des zweiten Monats schon kein Zimmer mit Bad mehr, und Anfang des drit¹ ans Saufen kommen — пьянствовать

ANSICHTEN EINES CLOWNS

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HEINRICH BOLL

ten Monats betrug die Entfernung vom Bahnhof schon sieben Mark, wahrend die Gage auf ein Drittel geschmol-zen war. Kein Kognak mehr, sondern Korn, keine Variet£s mehr: merkwiirdige Vereine, die in dunklen Salen tagten, wo ich auf einer Biihne mit miserabler Beleuchtung auf-trat, wo ich nicht einmal mehr ungenaue Bewegungen, sondern bloB noch Faxen machte, iiber die sich Dienstju-bilare von Bahn, Post, Zoll, katholische Hausfrauen oder evangelische Krankenschwestern amiisierten, biertrinkende Bundeswehroffiziere, deren Lehrgangsabschlufi ich ver-schonte, nicht recht wuBten, ob sie lachen durften oder nicht, wenn ich die Reste meiner Nummer Verteidigungs-rat vorfuhrte, und gestern, in Bochum, vor Jugendlichen, rutschte ich mitten in einer Chaplin-Imitation aus und kam nicht wieder auf die Beine. Es gab nicht einmal Pfif-fe, nur ein mitleidiges Geraune, und ich humpelte, als endlich der Vorhang iiber mich fiel, rasch weg, raffte mei-ne Klamotten zusammen und fuhr, ohne mich abzu-schminken, in meine Pension¹, wo es eine fiirchterliche Keiferei gab, weil meine Wirtin sich weigerte, mir mit Geld fur das Taxi auszuhelfen. Ich konnte den knurrigen Taxi-fahrer nur beruhigen, indem ich ihm meinen elektrischen Rasierapparat nicht als Pfand, sondern als Bezahlung iiber-gab. Er war noch nett genug, mir eine angebrochene Pa-ckung Zigaretten und zwei Mark bar herauszugeben. Ich legte mich angezogen auf mein ungemachtes Bett, trank den Rest aus meiner Flasche und ftihlte mich zum ersten

¹ Pension —зд.: пансион

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