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Сказки

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В предлагаемый вниманию читателей сборник вошли философские сказки знаменитого немецкого писателя Германна Гессе, лауреата Нобелевской премии по литературе за 1946 год. Неадаптированный текст снабжен комментариями, вопросами для контроля понимания содержания и словарем. Книга адресована студентам языковых вузов и всем любителям немецкой литературы.
Гессе, Г. Сказки : книга для чтения на немецком языке : художественная литература / Г. Гессе. - Санкт-Петербург : КАРО, 2014. - 272 с. - (Moderne Prosa). - ISBN 978-5-9925-0449-1. - Текст : электронный. - URL: https://znanium.ru/catalog/product/1048393 (дата обращения: 23.11.2024). – Режим доступа: по подписке.
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Hermann HESSE




                MARCHEN





            LoHWg®



MODERNE PROSA


Подготовка текста, примечания и вопросы А. А. Берлинской





ИЗДАТЕЛЬСТВО ШР© Санкт-Петербург

УДК 821.112.2-93
ББК 81.2Нем-93 Г 43













    Гессе Г.
Г 43 Сказки: Книга для чтения на немецком языке. — СПб.: КАРО, 2014. — 272 с. («Moderne Prosa»).
    ISBN 978-5-9925-0449-1
        В предлагаемый вниманию читателей сборник вошли философские сказки знаменитого немецкого писателя Германна Гессе, лауреата Нобелевской премии по литературе за 1946 год.
        Неадаптированный текст снабжен комментариями, вопросами для контроля понимания содержания и словарем. Книга адресована студентам языковых вузов и всем любителям немецкой литературы.
УДК 821.112.2-93
ББК 81.2Нем-93

ISBN 978-5-9925-0449-1

© КАРО, 2009

DIE STADT

   »Es geht vorwarts!« rief der Ingenieur, als auf der gestern neugelegten Schienenstrecke schon der zwei-te Eisenbahnzug voll Menschen, Kohlen, Werkzeuge und Lebensmittel ankam. Die Prarie gluhte leise im gelben Sonnenlicht, blaudunstig stand am Horizont das hohe Waldgebirge. Wilde Hunde und erstaun-te Prariebuffel sahen zu, wie in der Einode Arbeit und Getummel anhob, wie im grunen Lande Hecken von Kohlen und von Asche und von Papier und von Blech entstanden. Der erste Hobel schrillte durch das erschrockene Land, der erste Flintenschuss donnerte auf und verrollte am Gebirge hin, der erste Amboss klang helltonig unter raschen Hammerschlagen auf. Ein Haus aus Blech entstand, und am nachsten Tage eines aus Holz, und andere, und taglich neue, und


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bald auch steinerne. Die wilden Hunde und Buffel blieben fern, die Gegend wurde zahm und fruchtbar, es wehten schon im ersten Fruhjahr Ebenen voll gruner Feldfrucht, Hofe und Stalle und Schuppen ragten daraus auf, StraBen schnitten durch die Wildnis.
   Der Bahnhof wurde fertig und eingeweiht, und das Regierungsgebaude, und die Bank, mehrere kaum um Monate jungere Schwesterstadte erwuchsen in der Nahe. Es kamen Arbeiter aus aller Welt, Bauern und Stadter, es kamen Kaufleute und Advokaten, Prediger und Lehrer, es wurde eine Schule gegrundet, drei religiose Gemeinschaften, zwei Zeitungen. Im Westen wur-den Erdolquellen gefunden, es kam groBer Wohlstand in die junge Stadt. Noch ein Jahr, da gab es schon Taschendiebe, Zuhalter, Einbrecher, ein Warenhaus, ei-nen Alkoholgegnerbund, einen Pariser Schneider, eine bayerische Bierhalle. Die Konkurrenz der Nebenstadte beschleunigte das Tempo. Nichts fehlte mehr, von der Wahlrede bis zum Streik, vom Kinotheater bis zum Spiritistenverein. Man konnte franzosischen Wein, norwegische Heringe, italienische Wurste, englische Kleiderstoffe, russischen Kaviar in der Stadt haben. Es kamen schon Sanger, Tanzer und Musiker zweiten Ranges auf ihren Gastreisen in den Ort.
   Und es kam auch langsam die Kultur. Die Stadt, die anfanglich nur eine Grundung gewesen war, be-gann eine Heimat zu werden. Es gab hier eine Art, sich zu gruBen, eine Art, sich im Begegnen zuzuni-cken, die sich von den Arten in andern Stadten leicht und zart unterschied. Manner, die an der Grundung

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der Stadt teilgehabt hatten, genossen Achtung und Beliebtheit, ein kleiner Adel strahlte von ihnen aus. Ein junges Geschlecht wuchs auf, dem erschien die Stadt schon als eine alte, beinahe von Ewigkeit stammende Heimat. Die Zeit, da hier der erste Hammerschlag erschollen, der erste Mord gesche-hen, der erste Gottesdienst gehalten, die erste Zeitung gedruckt worden war, lag ferne in der Vergangenheit, war schon Geschichte.
   Die Stadt hatte sich zur Beherrscherin der Nachbar-stadte und zur Hauptstadt eines groBen Bezirkes er-hoben. An breiten, heiteren StraBen, wo einst neben Aschenhaufen und Pfutzen die ersten Hauser aus Brettern und Wellblech gestanden hatten, erhoben sich ernst und ehrwurdig Amtshauser und Banken, Theater und Kirchen, Studenten gingen schlendernd zur Universitat und Bibliothek, Krankenwagen fuhren leise zu den Kliniken, der Wagen eines Abgeordneten wurde bemerkt und begruBt, in zwanzig gewaltigen Schulhausern aus Stein und Eisen wurde jedes Jahr der Grundungstag der ruhmreichen Stadt mit Gesang und Vortragen gefeiert. Die ehemalige Prarie war von Feldern, Fabriken, Dorfern bedeckt und von zwanzig Eisenbahnlinien durchschnitten, das Gebirge war na-hegeruckt und durch eine Bergbahn bis ins Herz der Schluchten erschlossen. Dort, oder fern am Meer, hatten die Reichen ihre Sommerhauser.
   Ein Erdbeben warf, hundert Jahre nach ihrer Grundung, die Stadt bis auf kleine Teile zu Boden¹.

   ¹ warf ... zu Boden — разрушило до основания

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Sie erhob sich von neuen, und alles Holzerne ward nun Stein, alles Kleine groB, alles Enge weit. Der Bahnhof war der groBte des Landes, die Borse die groBte des ganzen Erdteils, Architekten und Kunstler schmuckten die verjungte Stadt mit offentlichen Bauten, Anlagen, Brunnen, Denkmalern. Im Laufe dieses neuen Jahrhunderts erwarb sich die Stadt den Ruf, die schonste und reichste des Landes und eine Sehenswurdigkeit zu sein. Politiker und Architekten, Techniker und Burgermeister fremder Stadte kamen gereist, um die Bauten, Wasserleitungen, die Verwaltung und andere Einrichtungen der beruhm-ten Stadt zu studieren. Um jene Zeit begann der Bau des neuen Rathauses, eines der groBten und herrlichsten Gebaude der Welt, und da diese Zeit beginnenden Reichtums und stadtischen Stolzes glucklich mit einem Aufschwung des allgemeinen Geschmacks, der Baukunst und Bildhauerei vor al-lem, zusammentraf, ward die rasch wachsende Stadt ein keckes und wohlgefalliges Wunderwerk. Den in-nern Bezirk, dessen Bauten ohne Ausnahme aus ei-nem edlen, hellgrauen Stein bestanden, umschloss ein breiter gruner Gurtel herrlicher Parkanlagen, und jenseits dieses Ringes verloren sich StraBenzuge und Hauser in weiter Ausdehnung langsam ins Freie und Landliche. Viel besucht und bewundert wurde ein ungeheures Museum, in dessen hundert Salen, Hofen und Hallen die Geschichte der Stadt von ih-rer Entstehung bis zur letzten Entwicklung darge-stellt war. Der erste, ungeheure Vorhof dieser Anlage

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stellte die ehemalige Prarie dar, mit wohlgepfleg-ten Pflanzen und Tieren und genauen Modellen der fruhesten elenden Behausungen, Gassen und Einrichtungen. Da lustwandelte die Jugend der Stadt und betrachtete den Gang ihrer Geschichte, vom Zelt und Bretterschuppen an, vom ersten unebenen Schienenpfad bis zum Glanz der groBstadtischen StraBen. Und sie lernten daran, von ihren Lehrern gefuhrt und unterwiesen, die herrlichen Gesetze der Entwicklung und des Fortschritts begreifen, wie aus dem Rohen das Feine, aus dem Tier der Mensch, aus dem Wilden der Gebildete, aus der Not der Uberfluss, aus der Natur die Kultur entstehe.
   Im folgenden Jahrhundert erreichte die Stadt den Hohepunkt ihres Glanzes, der sich in reicher Uppigkeit entfaltete und eilig steigerte, bis eine bluti-ge Revolution der unteren Stande dem ein Ziel setz-te. Der Pobel begann damit, viele von den groBen Erdolwerken, einige Meilen von der Stadt entfernt, anzuzunden, so dass ein groBer Teil des Landes mit Fabriken, Hofen und Dorfern teils verbrannte, teils verodete. Die Stadt selbst erlebte zwar Gemetzel und Greuel jeder Art, blieb aber bestehen und er-holte sich in nuchternen Jahrzehnten wieder lang-sam, ohne aber das fruhere flotte Leben und Bauen je wieder zu vermogen. Es war wahrend ihrer ub-len Zeit ein fernes Land jenseits der Meere plotz-lich aufgebluht, das lieferte Korn und Eisen, Silber und andere Schatze mit der Fulle eines unerschopf-ten Bodens, der noch willig hergibt. Das neue Land

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zog die brachen Krafte, das Streben und Wunschen der alten Welt gewaltsam an sich, Stadte bluhten dort uber Nacht aus der Erde, Walder verschwanden, Wasserfalle wurden gebandigt. Die schone Stadt be-gann langsam zu verarmen. Sie war nicht mehr Herz und Hirn einer Welt, nicht mehr Markt und Borse vieler Lander. Sie musste damit zufrieden sein, sich am Leben zu erhalten und im Larme neuer Zeiten nicht ganz zu erblassen. Die muBigen Krafte, soweit sie nicht nach der fernen neuen Welt fortschwanden, hatten nichts mehr zu bauen und zu erobern und we-nig mehr zu handeln und zu verdienen. Statt dessen keimte in dem nun alt gewordenen Kulturboden ein geistiges Leben, es gingen Gelehrte und Kunstler von der still werdenden Stadt aus, Maler und Dichter. Die Nachkommen derer, welche einst auf dem jun-gen Boden die ersten Hauser erbaut hatten, brach-ten lachelnd ihre Tage in stiller, spater Blute geisti-ger Genusse und Bestrebungen hin, sie malten die wehmutige Pracht alter moosiger Garten mit verwit-ternden Statuen und grunen Wassern und sangen in zarten Versen vom fernen Getummel der alten hel-denhaften Zeit oder vom stillen Traumen muder Menschen in alten Palasten. Damit klangen der Name und Ruhm dieser Stadt noch einmal durch die Welt. Mochten drauBen Kriege die Volker erschuttern und groBe Arbeiten sie beschaftigen, hier wusste man in verstummter Abgeschiedenheit den Frieden walten und den Glanz versunkener Zeiten leise nachdam-mern: stille StraBen, von Blutenzweigen uberhan
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gen, wetterfarbene Fassaden machtiger Bauwerke uber larmlosen Platzen traumend, moosbewachse-ne Brunnenschalen in leiser Musik von spielenden Wassern uberrennen.
   Manche Jahrhunderte war die alte traumende Stadt fur die jungere Welt ein ehrwurdiger und gelieb-ter Ort, von Dichtern besungen und von Liebenden besucht. Doch drangte das Leben der Menschheit immer machtiger nach anderen Erdteilen hin. Und in der Stadt selbst begannen die Nachkommen der alten einheimischen Familien auszusterben oder zu verwahrlosen. Es hatte auch die letzte geistige Blute ihr Ziel langst erreicht, und ubrig blieb nur verwe-sendes Gewebe. Die kleineren Nachbarstadte waren seit langeren Zeiten ganz verschwunden, zu stillen Ruinenhaufen geworden, zuweilen von Zigeunern und entflohenen Verbrechern bewohnt.
   Nach einem Erdbeben, das indessen die Stadt selbst verschonte, war der Lauf des Flusses verscho-ben und ein Teil des verodeten Landes zu Sumpf, ein anderer durr geworden. Und von den Bergen her, wo die Reste uralter Steinbruche und Landhauser zerbro-ckelten, stieg der Wald, der alte Wald, langsam herab. Er sah die weite Gegend ode liegen und zog langsam ein Stuck nach dem andern in seinen grunen Kreis, uberflog hier einen Sumpf mit flusterndem Grun, dort ein Steingeroll mit jungem, zahem Nadelholz.
   In der Stadt hausten am Ende keine Burger mehr, nur noch Gesindel, unholdes, wildes Volk, das in den schiefen, einsinkenden Palasten der Vorzeit

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Obdach nahm und in den ehemaligen Garten und StraBen seine mageren Ziegen weidete. Auch diese letzte Bevolkerungstarb allmahlich in Krankheiten und Blodsinn aus, die ganze Landschaft war seit der Versumpfung von Fieber heimgesucht und der Verlassenheit anheimgefallen.
   Die Reste des alten Rathauses, das einst der Stolz seiner Zeit gewesen war, standen noch immer sehr hoch und machtig, in Liedern aller Sprachen besungen und ein Herd unzahliger Sagen der Nachbarvolker, deren Stadte auch langst verwahr-lost waren und deren Kultur entartete. In Kinder-Spukgeschichten und melancholischen Hirtenliedern tauchten entstellt und verzerrt noch die Namen der Stadt und der gewesenen Pracht gespenstisch auf, und Gelehrte ferner Volker, deren Zeit jetzt bluhte, kamen zuweilen auf gefahrlichen Forschungsreisen in die Trummerstatte, uber deren Geheimnisse die Schulknaben entfernter Lander sich begierig un-terhielten. Es sollten Tore von reinem Gold und Grabmaler voll von Edelsteinen dort sein, und die wilden Nomadenstamme der Gegend sollten aus al-ten fabelhaften Zeiten her verschollene Reste einer tausendjahrigen Zauberkunst bewahren.
   Der Wald aber stieg weiter von den Bergen her in die Ebene, Seen und Flusse enstanden und vergingen, und der Wald ruckte vor und ergriff und verhullte langsam das ganze Land, die Reste der alten StraBenmauern, der Palaste, Tempel, Museen, und Fuchs und Marder, Wolf und Bar bevolkerten die Einode.

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