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Потерянная честь Катарины Блюм

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Предлагаем любителям немецкой литературы роман знаменитого немецкого писателя Генриха Бёлля о методах работы «желтой прессы» в Германии в начале 1970-х годов. Неадаптированный текст снабжен комментариями и словарем.
Бёлль, Г.Т. Потерянная честь Катарины Блюм : книга для чтения на немецком языке : художественная литература / Г. Т. Белль. — Koln : Kiepenheuer & Witsch. -Санкт-Петербург : КАРО, 2015. - 224 с. - (Moderne Prosa). - ISBN 978-5-9925-1044-7. - Текст : электронный. - URL: https://znanium.com/catalog/product/1048381 (дата обращения: 23.11.2024). – Режим доступа: по подписке.
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Heinrich BOLL





                DIE VERLORENE EHRE DER KATHARINA RLUM





MODERNE PROSA

Комментарии и словарь E. А. Тимофеевой







ИЗДАТЕЛЬСТВО

Санкт-Петербург

УДК 372.8-821.112.2-93
ББК 81.2Нем-93 Б43




Впервые опубликовано на немецком языке как “Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ von Heinrich B6U





    Бёлль, Генрих Теодор.
Б43 Потерянная честь Катарины Блюм : книга для чтения на немецком языке / Г. Т. Бёлль. — Koln : Kiepenheuer& Witsch; Санкт-Петербург : КАРО, 2015. — 224 с. — (Серия «Moderne Prosa»).
    ISBN 978-5-9925-1044-7.
       Предлагаем любителям немецкой литературы роман знаменитого немецкого писателя Генриха Бёлля о методах работы «желтой прессы» в Германии в начале 1970-х годов.
       Неадаптированный текст снабжен комментариями и словарем.
                          УДК 372.8-821.112.2-93
ББК 81.2Нем-93

                         © Verlag Kiepenheuer&Witsch GmbH & Со. KG, Cologne/ Germany, 1974,2002
                         © Издательско-полиграфический центр КАРО, 2015
ISBN 978-5-9925-1044-7 Все права защищены

    1.

   Fur den folgenden Bericht gibt es einige Neben-und drei Hauptquellen, die hier am Anfang einmal genannt, dann aber nicht mehr erwahnt werden. Die Hauptquellen: Vernehmungsprotokolle der Polizeibehorde, Rechtsanwalt Dr. Hubert Blorna, so-wle dessen Schul- und Studienfreund, der Staatsanwalt Peter Hach, der — vertraulich, versteht sich — die Vernehmungsprotokolle, gewisse Mafinahmen der Untersuchungsbehorde und Ergebnisse von Recherchen, soweit sie nicht in den Protokollen auftauchten, erganzte; nicht, wie unbedingt hinzu-gefiigt werden muss, zu offiziellem, lediglich zu privatem Gebrauch, da ihm der Kummer seines Freundes Blorna, der sich das alles nicht erklaren konnte und es doch „wenn ich es recht bedenke, nicht unerklarlich, sogar fast logisch" fand, regelrecht zu

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HEINRICH BOLL

Herzen ging. Da der Fall der Katharina Blum ange-sichts der Haltung der Angeklagten und der sehr schwierigen Position ihres Verteidigers Dr. Blorna ohnehin mehr oder weniger fiktiv bleiben wird, sind vielleicht gewisse kleine, sehr menschliche Unkorrektheiten, wie Hach sie beging, nicht nur ver-standlich, auch verzeihlich. Die Nebenquellen, eini-ge von grofierer, andere von geringerer Bedeutung, brauchen hier nicht erwahnt zu werden, da sich ihre Verstrickung, Verwicklung, BefaBtheit, Befangenheit, Betroffenheit und Aussage aus dem Bericht selbst er-geben.

    2.

   Wenn der Bericht — da hier so viel von Quellen geredet wird — hin und wieder als „fliefiend" emp-funden wird, so wird dafiir um Verzeihung gebeten: es war unvermeidlich. Angesichts von „Quellen" und „Fliefien" kann man nicht von Komposition spre-chen, so sollte man vielleicht statt dessen den Begriff der Zusammenfuhrung (als Fremdwort dafiir wird Konduktion vorgeschlagen) einfiihren, und dieser Begriff sollte jedem einleuchten, der je als Kind (oder gar Erwachsener) in, an und mit Pfutzen gespielt hat,


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die er anzapfte, durch Kanale miteinander verband, leerte, ablenkte, umlenkte, bis er schliefflich das gesam-te, ihm zur Verfiigung stehende Pfiitzenwasserpotential in einem Sammelkanal zusammenfuhrte, um es auf ein niedrigeres Niveau ab, moglicherweise gar ord-nungsgemafi oder ordentlich, regelrecht in eine behordlicherseits erstellte Abflufirinne oder in einen Kanai zu lenken. Es wird also nichts weiter vorge-nommen als eine Art Dranage oder Trockenlegung. Ein ausgesprochener Ordnungsvorgang! Wenn also diese Erzahlung stellenweise in Fluss kommt¹, wobei Niveauunterschiede und -ausgleiche eine Rolle spie-len, so wird um Nachsicht gebeten, denn schlieBlich gibt es auch Stockungen, Stauungen, Versandungen, missgliickte Konduktionen und Quellen, die ,,zu-sammen nicht kommen konnen“, aufierdem unter-irdische Stromungen usw. usw.


    3.

   Die Tatsachen, die man vielleicht zunachst ein-mal darbieten sollte, sind brutal: am Mittwoch, dem 20.2.1974, am Vorabend² von Weiberfast

    ¹ in Fluss kommen — наладиться

   ² am Vorabend — 1) накануне вечером 2) накануне (чего-л.)

DIE VERLORENE EHRE DER KATHARINA BLUM

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HEINRICH BOLL

nacht¹, verlaEt in einer Stadt eine junge Frau von sie-benundzwanzig Jahren abends gegen 18.45 Uhr ihre Wohnung, um an einem privaten Tanzvergniigen teil-zunehmen.
   Vier Tage spater, nach einer — man muss es wirk-lich so ausdriicken (es wird hiermit auf die notwen-digen Niveauunterschiede verwiesen, die den Flufi ermoglichen) — dramatischen Entwicklung, am Sonntagabend um fast die gleiche Zeit — genauer gesagt gegen 19.04 —, klingelt sie an der Wohnungstiir des Kriminaloberkommissars Walter Moeding, der eben dabei ist, sich aus dienstlichen, nicht privaten Grunden als Scheich zu verkleiden, und gibt dem er-schrockenen Moeding zu Protokoll, sie habe mittags gegen 12.15 in ihrer Wohnung den Journalisten Werner Totges erschossen, er moge veranlassen, dass ihre Wohnungstiir aufgebrochen und er dort „abge-holt“ werde; sie selbst habe sich zwischen 12.15 und 19.00 Uhr in der Stadt umhergetrieben, um Reue zu linden, habe aber keine Reue gefunden; sie bitte au
   ¹ (Alt)Weiberfas[t]nacht f (landsch.) = letzter Don-nerstag vor Aschermittwoch [an diesem Tag zeichnet der Priester im kath. Gottesdienst den Glaubigen mit Holzasche ein Kreuz als Zeichen der BuBe auf die Stirn] — Tag nach Fastnacht; erster Tag der Fastenzeit

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Berdem um ihre Verhaftung, sie mochte gern dort sein, wo auch ihr „lieber Ludwig" sei.¹
   Moeding, der die junge Person von verschiede-nen Vernehmungen her kennt und eine gewisse Sympathie fur sie empfindet, zweifelt nicht einen Augenblick lang an ihren Angaben, er bringt sie in seinem Privatwagen zum Polizeiprasidium, verstan-digt seinen Vorgesetzten Kriminalhauptkommissar Beizmenne, lafit die junge Frau in eine Zelle verbrin-gen, trifit sich eine Viertelstunde spater mit Beizmenne vor ihrer Wohnungstiir, wo ein entsprechend ausge-bildetes Kommando die Tur aufbricht und die Angaben der jungen Frau bestatigt findet.

DIE VERLORENE EHRE DER KATHARINA BLUM

   ¹ sie habe mittags gegen 12.15 in ihrer Wohnung den Journalisten Werner Tbtges erschossen, er moge veran-lassen, dass ihre Wohnungstiir aufgebrochen und er dort „abgeholt" werde; sie selbst habe sich zwischen 12.15 und 19.00 Uhr in der Stadt umhergetrieben, um Reue zu fin-den, habe aber keine Reue gefunden; sie bitte aufierdem um ihre Verhaftung, sie mochte gern dort sein, wo auch ihr „lieber Ludwig" sei. — что она пополудни, где-то в 12.15, в собственной квартире застрелила журналиста Вернера Тетгеса, пусть он распорядится взломать ее входную дверь и «забрать» его оттуда; она же между 12.15 и 19.00 слонялась по городу в поисках раскаяния, но не нашла его; кроме всего прочего она просит заключить ее под стражу, она очень хочет быть там, где и ее «любимый Людвиг».

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HEINRICH BOLL

   Es soli hier nicht so viel von Blut gesprochen wer-den, denn nur notwendige Niveauunterschiede sol-len als unvermeidlich gelten, und deshalb wird hier-mit aufs Fernsehen und aufs Kino verwiesen, auf Grusi- und Musicals¹ einschlagiger Art; wenn hier etwas flieBen soli, dann nicht Blut. Vielleicht sollte man lediglich auf gewisse Farbeffekte hinweisen: der erschossene Totges trug ein improvisiertes Scheichkostiim, das aus einem schon recht verschlis-senen Bettuch zurechtgeschneidert war, und jeder-mann weiB doch, was viel rotes Blut auf viel WeiB anrichten kann; da wird eine Pistole notwendiger-weise fast zur Spritzpistole, und da es sich im Faile des Kostums ja um Leinwand handelt, liegen hier moderne Malerei und Biihnenbild naher als Dranage. Gut. Das sind also die Fakten.


4.

   Ob auch der Bildjournalist Adolf Schonner, den man erst am Aschermittwoch in einem Waldstiick westlich der frohlichen Stadt ebenfalls erschossen fand, ein Opfer der Blum gewesen war, gait eine


   ¹ Grusical n <anglisierende Neubildung nach dem Vor-bild von „Musical" > (scherzh.) — [nach Art eines Musicals aufgemachter] Gruselfilm

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Zeitlang als nicht unwahrscheinlich, spater aber, als man eine gewisse chronologische Ordnung in den Ablauf gebracht hatte, als „erwiesen unzutreffend"¹. Ein Taxifahrer sagte spater aus, er habe den eben-falls als Scheich verkleideten Schbnner mit einer als Andalusierin verkleideten jungen Frauensperson zu eben jenem Waldstiick gefahren. Nun war aber Totges schon am Sonntagmittag erschossen worden, Schbnner aber erst am Dienstagmittag. Obwohl man bald herausfand, dass die Tatwaffe, die man neben Totges fand, keinesfalls die Waffe sein konnte, mit der Schbnner getbtet worden war, blieb der Verdacht fur einige Stunden auf der Blum ruhen, und zwar des Motivs wegen. Wenn sie schon Grund gehabt hatte, sich an Totges zu rachen, so hatte sie mindes-tens soviel Grund gehabt, sich an Schbnner zu rachen. Dass die Blum aber zwei Waffen besessen ha-ben konnte, erschien den ermittelnden Behbrden dann doch als sehr unwahrscheinlich. Die Blum war bei ihrer Bluttat mit einer kalten Klugheit zu Werke gegangen; als man sie spater fragte, ob sie auch Schbnner erschossen habe, gab sie eine ominbse²,

   ¹ erwiesen unzutreffend — неправдоподобно

   ² ominds <Adj.> [frz. omineux < lat. ominosus, zu: omen, Omen] — a) von schlimmer Vorbedeutung; unheilvoll; b) bedenklich, zweifelhaft; beriichtigt

DIE VERLORENE EHRE DER KATHARINA BLUM

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HEINRICH BOLL

als Frage verkleidete Antwort:,Ja, warum eigentlich nicht den auch?“ Dann aber verzichtete man darauf, sie auch des Mordes an Schonner zu verdachtigen, zumal Alibirecherchen sie fast eindeutig entlasteten. Keiner, der Katharina Blum kannte oder im Laufe der Untersuchung ihren Charakter kennenlernte, zweifelte daran, dass sie, falls sie ihn begangen hat-te, den Mord an Schonner eindeutig zugegeben hat-te. Der Taxifahrer, der das Parchen zum Waldstiick gefahren hatte („Ich wiirde es ja eher als verwilder-tes Gebiisch bezeichnen", sagte er), erkannte jeden-falls die Blum auf Fotos nicht. „Mein Gott“, sagte er, „diese hiibschen braunhaarigen jungen Dinger zwi-schen 1,63 und 1,68 grofi, schlank und zwischen 24 und 27 Jahre alt — davon laufen doch Karneval Hunderttausende hier herum“.
   In der Wohnung des Schonner fand man keiner-lei Spuren von der Blum, keinerlei Hinweis auf die Andalusierin. Kollegen und Bekannte des Schonner wuBten nur, dass er am Dienstag gegen Mittag von einer Kneipe aus, in der sich Journalisten trafen, „mit irgendeiner Brumme¹ abgehauen war“.

    ¹ Brumme (ugs.) = attraktive junge Frau

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