Где ты был, Адам?
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Тематика:
Немецкий язык
Издательство:
КАРО
Автор:
Бёлль Генрих
Коммент., словарь:
Гильчёнок Н. Л.
Год издания: 2016
Кол-во страниц: 240
Дополнительно
Вид издания:
Художественная литература
Уровень образования:
ВО - Бакалавриат
ISBN: 978-5-9925-1159-8
Артикул: 721060.01.99
Предлагаем вниманию читателей одно из ранних произведений знаменитого немецкого писателя Генриха Бёлля (1883-1924), лауреата Нобелевской премии по литературе за 1972 год, — роман «Где ты был, Адам?», впервые опубликованный в 1951 году. В книге приводится полный неадаптированный текст романа, снабженный постраничным комментарием и словарем.
Тематика:
ББК:
УДК:
ОКСО:
- ВО - Бакалавриат
- 45.03.01: Филология
- 45.03.02: Лингвистика
- 45.03.99: Литературные произведения
ГРНТИ:
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Heinrich BOLL WO WARSI DU ADAM? MDDERNE P R □ S A Комментарии и словарь H. Л. Гилъчёнок КАРО Санкт-Петербург
УДК 372.8 ББК 81.2 Нем-93 Б 43 Originally published in the German language as “Wo warst du, Adam?” by Heinrich Boll. First published in 1951 Бёлль, Генрих. Б 43 Где ты был, Адам?: Книга для чтения на немецком языке. — Koln: Kiepenheuer & Witsch; Санкт-Петербург: КАРО, 2016. — 240 с. — (Modeme Prosa) ISBN 978-5-9925-1159-8. Предлагаем вниманию читателей одно из ранних произведений знаменитого немецкого писателя Генриха Бёлля (1883-1924), лауреата Нобелевской премии по литературе за 1972 год, — роман «Где ты был, Адам?», впервые опубликованный в 1951 году. В книге приводится полный неадаптированный текст романа, снабженный постраничным комментарием и словарем. УДК 372.8 ББК 81.2 Нем-93 ©Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH&Co. KG, Cologne/ Germany, 1954,2009 ©KAPO, 2016 ISBN 978-5-9925-1159-8 Все права защищены
Eine Weltkatastrophe kann zu manchem dienen. Auch dazu, ein Alibi zu finden vor Gott. Wo warst du, Adam? »Ich war im Weltkrieg.« Theodor Haecker, Tag- und Nachtbiicher, 31. Marz 1940 Friiher habe ich Abenteuer erlebt: die Einrichtung von Postlinien, die Uberwindung der Sahara, Sudamerika — aber der Krieg ist kein richtiges Abenteuer, er ist nur Abenteuer-Ersatz. Der Krieg ist eine Krankheit. Wie der Typhus. Antoine de Saint-Exupe 'ry, Plug nach Arras 1 Zuerst ging ein grofies, gelbes, tragisches Gesicht an ihnen vorbei, das war der General. Der General sah mude aus. Hastig trug er seinen Kopf mit den blaulichen Tranensacken, den gelben Malariaaugen und dem schlaf-fen, dunnlippigen Mund eines Mannes, der Pech hat¹, an den tausend Mannern vorbei. Er fing an der rechten Ecke des staubigen Karrees an, blickte jedem traurig ins Gesicht, nahm die Kurven² schlapp, ohne Schwung und Zackigkeit, und sie sahen es alle: auf der Brust hatte er Orden genug, es blitzte von Silber und Gold, aber sein Hals war leer, ohne Orden. Und obwohl sie wussten, dass das Kreuz am Haise eines Generals nicht viel bedeutete, so lahmte es sie doch, dass er nicht einmal das hatte. Dieser magere, gelbe Generalshals ohne Schmuck liefi an verlorene Schlachten denken, misslungene Ruckzuge, an Riiffel, peinliche, bissige Ruffel, wie sie hohe Offiziere untereinander austauschen, ¹ Pech haben — потерпеть неудачу ² die Kurve nehmen — сделать поворот 3
an ironische Telefongesprache, versetzte Stabschefs und einen miiden, alten Mann, der hoffnungslos aussah, wenn er abends den Rock auszog und sich mit seinen dunnen Beinen, dem ausgemergelten Malariakorper auf den Rand seines Bettes setzte, um Schnaps zu trinken. Alle die dreihundertunddreiunddreiCig mal drei Mann, denen er ins Gesicht blickte, fuhlten etwas Seltsames: Trauer, Mit-leid, Angst und eine geheime Wut. Wut auf diesen Krieg, der schon viel zu lange dauerte, viel zu lange, als dass der Hals eines Generals noch ohne den gehdrigen Schmuck hatte sein diirfen. Der General hielt seine Hand an die verschlissene Miitze, die Hand wenigstens hielt er gerade, und als er an der linken Ecke des Karrees angekommen war, machte er eine etwas scharfere Wendung, ging in die Mitte der offenen Seite, blieb dort stehen, und der Schwarm von Offizieren gruppierte sich um ihn, locker und doch planmafiig, und es war peinlich, ihn dort zu sehen, ohne Halsschmuck, wahrend andere, Rangniedrigere, das Kreuz in der Sonne blitzen lassen konnten. Er schien etwas sagen zu wollen, aber er nahm nur noch einmal sehr plotzlich die Hand an die Miitze und machte so unerwartet kehrt, dass der Schwarm von Offizieren sich erschreckt verteilte, um ihm Platz zu machen. Und sie sahen alle, wie das kleine, schmale Mannchen in seinen Wagen stieg, die Offiziere ihre Hande noch einmal an die Miitze nahmen, und dann zeigte eine aufwirbelnde weifie Staubwolke an, dass der General nach Westen fuhr, dorthin, wo die Sonne schon ziemlich niedrig stand, nicht mehr sehr weit entfernt von den flachen weifien Dachern, dorthin, wo keine Front war. 4
Dann marschierten sie zu einhundertundelf mal drei Mann in einen anderen Stadtteil, siidlich, an Cafes von schmutziger Eleganz vorbei, vorbei an Kinos und Kirchen, durch Armenviertel, wo Hunde und Hiihner faul vor den Tiiren lagen, schmutzige, hiibsche Frauen mit weiCen Brusten in den Fenstern, wo aus dreckigen Kneipen der eintonige, seltsam erregende Gesang trinkender Manner kam. StraBenbahnen kreischten mit abenteuerlicher Schnelligkeit vorbei und dann kamen sie in ein Viertel, wo es still war. Villen lagen in griinen Garten, Militarautos standen vor steinernen Portalen, und sie marschierten in eines dieser steinernen Portale hinein, kamen in einen sehr gepflegten Park und stellten sich wieder im Karree auf, in einem kleineren Karree, einhundertundelf mal drei Mann. Das Gepack wurde nach hinten herausgelegt, ausge-richtet, die Gewehre zusammengesetzt, und als sie wieder stillstanden¹, mude und hungrig, durstig, wiitend und iiberdriissig dieses verfluchten Krieges, als sie wieder stillstanden, ging ein schmales, rassiges Gesicht an ihnen vorbei: das war der Oberst, blass, mit harten Augen, zusammengekniffenen Lippen und einer langen Nase. Es erschien ihnen alien selbstverstandlich, dass der Kragen unter diesem Gesicht mit dem Kreuz geschmiickt war. Aber auch dieses Gesicht gefiel ihnen nicht. Der Oberst nahm die Ecken gerade², ging langsam und fest, lieB kein Augenpaar aus, und als er zuletzt in die offene Flanke ¹ ... als sie wieder stillstanden... — ... когда они снова стояли по стойке «смирно»... ²... nahm die Ecken gerade... — ... срезал углы 5
schwenkte, mit einem kleinen Schwanz von Offizieren, da wussten sie alle, dass er etwas sagen wurde, und sie dachten alle, dass sie gern etwas trinken mochten, trinken, auch essen oder schlafen oder eine Zigarette rauchen. »Kameraden«, sagte die Stimme hell und klar, »Kameraden, ich begriifie euch. Es gibt nicht viel zu sagen, nur eins: wir miissen sie jagen, diese Schlappohren, jagen in ihre Steppe zuruck. Versteht ihr?« Die Stimme machte eine Pause, und das Schweigen in dieser Pause war peinlich, fast todlich, und sie sahen alle, dass die Sonne schon ganz rot war, dunkelrot, und der todliche rote Glanz schien sich in dem Kreuz am Haise des Obersten zu fangen, ganz allein in diesen vier glanzenden Balken, und sie sahen jetzt erst, dass das Kreuz noch verziert war, mit Eichenlaub, das sie Gemuse nannten. Der Oberst hatte Gemuse am Hals. »Ob ihr versteht?« schrie die Stimme, und sie iiber-schlug sich jetzt. »Jawohl«, riefen ein paar, aber die Stimmen waren heiser, miide und gleichgiiltig. »Ob ihr versteht, frage ich?« schrie die Stimme wieder, und sie uberschlug sich¹ so sehr, dass sie in den Himmel zu steigen schien, schnell, allzu schnell wie eine verriickt gewordene Lerche, die sich einen Stern zum Futter pfliicken will. »Jawohl«, riefen ein paar mehr, aber nicht viele, und auch die, die schrien, waren miide, heiser, gleichgiiltig, ¹ die Stimme ... uberschlug sich — голос сорвался 6
und nichts an der Stimme dieses Mannes konnte ihnen ihren Durst stillen, ihren Hunger nehmen und die Lust auf eine Zigarette. Der Oberst schlug wiitend mit seiner Gerte in die Luft, sie horten etwas, das wie »Mistbande« klang, und er ging mit sehr schnellen Schritten nach hinten weg, gefolgt von seinem Adjutanten, einem langen jungen Oberleutnant, der viel zu lang war, viel zu jung auch, um ihnen nicht leid zu tun. Immer noch stand die Sonne am Himmel, genau uber den Dachern, ein gliihendes Eisenei, das fiber die flachen weifien Dacher zu rollen schien, und der Himmel war graugebrannt, fast weifi, schlapp hing das magere Laub von den Baumen, als sie weitermarschierten, nun endlich ostlich, durch die Vorstadt, an Hiitten vorbei, fiber Kopfsteinpflaster, vorbei an den Baracken von Lumpenhandlern, einem vollig deplacierten¹ Block mo-derner, dreckiger Mietskasernen, Abfallgruben, durch Garten, in denen Melonen faul am Boden lagen, pralle Tomaten an grofien Stauden hingen, staubbedeckt, an viel zu grofien Stauden, die ihnen fremd vorkamen. Fremd waren auch die Maisfelder mit ihren dicken Kolben, an denen Scharen schwarzer Vogel herumpickten, die trage aufflogen, als ihr miider Tritt sich naherte, Wolken von Vogeln, die zogernd in der Luft schwebten, sich dann niederliefien und weiterpickten. Nun waren sie nur noch fiinfunddreifiig mal drei Mann, ein miider Zug, staubbedeckt, mit wunden FiiBen, ¹ deplaciert — неуместный 7
schwitzenden Gesichtern, an der Spitze ein Oberleutnant, dem der Uberdruss auf dem Gesicht stand. Schon als er das Kommando ubernahm, hatten sie gewusst, was fur einer er war. Er hatte sie nur angeblickt, und in seinen Augen lasen sie es, obwohl sie miide waren, durstig, durstig, sie lasen es: »Scheifie«, sagte sein Blick, »nichts als Scheifie, aber wir konnen nichts machen.« Und dann sagte seine Stimme mit betonter Gleichgiiltigkeit, alle iiblichen Kommandos verachtend: »Los.« Sie hielten jetzt an einer schmutzigen Schule, die zwischen halbverwelkten Baumen lag. Schwarze stinkende Pfutzen, uber denen sich brummende Fliegen tummelten, schienen schon seit Monaten dort zu stehen zwischen grobem Pilaster und einer mit Kreide bekritzelten Pissbude¹, aus der es abscheulich stank, scharf und deutlich. »Halt«, sagte der Oberleutnant, dann ging er ins Haus, und er hatte den eleganten und zugleich schlappen Gang eines Mannes, der von oben bis unten mit Uberdruss angefullt ist. Jetzt brauchten sie kein Karree mehr zu bilden, und der Hauptmann, der an ihnen vorbeiging, nahm nicht einmal die Hand an die Miitze; er hatte kein Koppel um, einen Strohhalm zwischen den Zahnen, und sein dickes Gesicht mit den schwarzen Brauen sah gemiitlich aus. Er nickte nur, machte »hm«, stellte sich vor sie und sagte: »Wir haben nicht viel Zeit, Jungens. Ich werde den SpieB schicken und euch gleich zu den Kompanien verteilen ¹ Pissbude/— туалет 8
lassen.« Aber sie hatten an seinem gesunden Gesicht vorbei schon lange gesehen, dass die Gefechtswagen fertig gepackt dort standen und auf den Fensterbanken in den offenen, schmutzigen Fenstern die Sturmgepacke lagen, grunliche korrekte Pakete, die Koppel daneben mit allem, was dazugehorte: Brotbeutel, Patronentaschen, Spaten und Gasmaske. Als sie weitergingen, waren sie nur noch zu acht mal drei Mann, und sie gingen durch die Maisfelder zuriick bis zu den hasslichen modernen Mietskasernen, bogen dann wieder ostlich und kamen an ein paar Hauser in diirftigem Wald, die fast wie eine Kunstlerkolonie aussahen: einstockige, flachdachige Dinger mit gro-Ben Glasfenstern. Sommerstiihle standen in den Garten, und als sie hielten und kehrtmachten, sahen sie, dass die Sonne nun schon hinter den Hausern stand, dass ihr Schein die ganze Kuppel des Himmels fiill-te mit etwas zu hellem Rot, das wie schlecht gemal-tes Blut aussah — und hinter ihnen, im Osten, war es schon dunkel-dammerig und warm. Vor den kleinen Hausern hockten Landser im Schatten, irgendwo standen Gewehrpyramiden, zehn ungefahr schienen es zu sein, und sie sahen, dass die Landser die Koppel schon umgeschnallt hatten: die Stahlhelme an den Karabinerhaken glanzten rotlich. Der Oberleutnant, der aus einem Hauschen kam, ging gar nicht an ihnen vorbei. Er blieb gleich in der Mitte vor ihnen stehen, und sie sahen, dass er nur einen Orden hatte, einen kleinen schwarzen Orden, der eigentlich gar kein Orden war, eine nichtssagende Medaille, aus 9
schwarzem Blech gestanzt, aus der zu ersehen war, dass er Blut furs Vaterland vergossen hatte. Das Gesicht des Oberleutnants war miide und traurig, und als er sie jetzt anblickte, blickte er erst auf ihre Orden, dann in ihre Gesichter, und er sagte: »Schdn«, und nach einer kleinen Pause mit einem Blick auf seine Uhr: »Ihr seid miide, ich weiB, aber ich kann nichts machen — wir miissen in einer Viertelstunde weg.« Dann blickte er den Unteroffizier an, der neben ihm stand, und sagte: »Hat keinen Zweck, die Personalien aufzunehmen¹ — Soldbucher einsammeln, zum Tross mitgeben. Schnell einteilen, damit die Leute noch trinken konnen. Macht euch auch die Feldflaschen voll!« rief er den acht mal drei Mann zu. Der Unteroffizier neben ihm sah gereizt und einge-bildet aus. Er hatte viermal so viel Orden wie der Oberleutnant, und er nickte jetzt und sagte mit lauter Stimme: »Los, Soldbucher raus!« Er legte den Packen auf einen wackeligen Gartentisch und fing an, sie einzuteilen, und wahrend sie gezahlt und zugewiesen wurden, dachten sie alle das gleiche: die Fahrt war ermiidend gewesen, langweilig, zum Kotzen², aber es war nicht ernst gewesen. Auch der General, der Oberst, der Hauptmann, sogar der Oberleutnant, die waren weit weg, die konnten ihnen nichts wollen. Aber die hier, denen gehorten sie, diesem Unteroffizier, der die Hand an die Miitze nahm, die Hacken zusammenknallte³, wie ¹ die Personalien aufnehmen — составлять списки ² zum Kotzen — тошнит; противно ³ die Hacken zusammenknallen — щелкать каблуками 10